
In unserer neuen digitalen Reihe "Abgestaubt. Neues aus der Sammlung" stellen wir gefundene Schätze unserer Depots vor. Auch Neuanschaffungen und lieb gewonnene Stücke bekommen hier ihre Plattform.
Den Anfang macht das Bronzerelief „Müntzer und Luther“.
Sie verabscheuten sich – der „Satan von Allstedt“ und das „geistlose, sanftlebende Fleisch zu Wittenberg“, wie sich Thomas Müntzer und Martin Luther gegenseitig verunglimpften. Der österreichische Bildhauer Alfred Hrdlicka wählte eine fiktive letzte Begegnung der gegensätzlichen Reformatoren als Motiv für sein Bronzerelief „Müntzer und Luther“. Ein Exemplar dieser Arbeit haben wir als Stiftung Luthergedenkstätten kürzlich erworben.
Thomas Müntzer, Gallionsfigur des Bauernkriegs, ist den Fürsten in die Hände gefallen. Links hängen Schergen den Reformator an den Händen auf und entblößen seinen Körper für die Tortur. Vis-à-vis zu dem geschundenen Müntzer steht rechts ein feister, geradezu aufgeblasen wirkender Luther und verfolgt scheinheilig betend (oder sich die Hände reibend?) das Verhör seines Gegenspielers.
Thomas Müntzer (1489–1525) zählte zunächst zu Luthers Anhängern, entfernte sich theologisch aber immer weiter von der Wittenberger Reformation. Als Müntzer auch eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft forderte, kam es endgültig zum Bruch. Müntzer schloss sich der Aufstandsbewegung der thüringischen Bauern an, nach der Niederlage des Bauernheers 1525 bei Frankenhausen geriet er in Gefangenschaft der Fürsten, wurde gefoltert und hingerichtet.
Es ist nicht klar, ob, wann und wie oft sich Müntzer und Luther persönlich begegnet sind. Fakt ist, dass jene letzte Begegnung in der Folterkammer ein Kunstgriff Hrdlickas ist. Dem „Berserker“ und „Uralt-Stalinisten“, wie er sich nannte, galt Kunst als politischer Auftrag. Religion und Politik sowie aus religiösen Motiven resultierende Gewalt zählten zu seinen Lebensthemen, provokante Körperlichkeit war sein Stilmittel. Das kleine Bronzerelief „Müntzer und Luther“ gehört in Hrdlickas Werk zum Themenkreis „In Gottes Namen“.