Die Theatiner: Eine katholische Reformkraft aus Rom

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blau eingefärbtes Bild, weiße Sprechblase mit "Heute vor 500 Jahren"

(Etwa) heute vor 500 Jahren …

…  wurde in Rom ein neuer religiöser Orden gegründet. Die „Theatiner“ genannte Gemeinschaft sollte zur religiösen Erneuerung der Kirche beitragen und die Reformation aus Italien zurückdrängen. Neben den Jesuiten wurden die Theatiner eine der wichtigsten Reformkräfte der katholischen Kirche.

 

Innere Reform und Gegenreformation

Im 15. und vor allem im 16. Jahrhundert gab es in der katholischen Kirche zahlreiche Bewegungen, die sich um innere Erneuerung und Reformen bemühten. Getragen wurden sie von einer neuen Spiritualität, neuen oder reformierten Ordensgemeinschaften und einem erstarkenden Papsttum.

Ein Beispiel für diese neuartigen Ordensgemeinschaften sind die Theatiner. Die Theatiner waren kein Mönchsorden, sondern eine Gemeinschaft von Regularklerikern. Darunter versteht man Priester, die sich einer gemeinsamen Ordensregel (lat. regula) verpflichten. Die Theatiner überzeugten mit hoher Bildung, rhetorischem Geschick und einem beispielhaften seelsorgerischen und caritativen Engagement. Entsprechend waren die Schwerpunkte ihrer Arbeit die Erziehung und der Unterricht, die Predigt sowie der Dienst an Armen und (Pest-)Kranken. Da sie die Ordensregel zur Besitzlosigkeit verpflichtete und ihnen das Betteln verbot, waren sie auf Spenden angewiesen.

Ähnlich wie der etwas jüngere und deutlich bekanntere Jesuitenorden sollten die Theatiner Missstände im katholischen Klerus von innen heraus bekämpfen und nach außen als Bollwerk gegen die Häresie wirken. Unter Häresie verstanden die Ordensgründer vor allem das Vordringen der „Lutherischen Ketzerei“ in Italien, und zwar bis in den Vatikan. 1524 hatte die Reformation längst die Grenzen des Heiligen Römischen Reichs überwunden. Predigende Mönche hatten sie nach Italien gebracht, wo der florierende Buchmarkt eine interessierte Leserschaft mit den neuesten Schriften aus Wittenberg versorgte.

 

Ein Heiliger ...

Gallionsfigur der Theatiner war der charismatische Ordensgründer Cajetan von Thiene (gest. 1547), weshalb die Theatiner bisweilen auch „Cajetaner“ oder „Kajetaner“ genannt werden. Seine Demut und seine Aufopferungsbereitschaft bei der Pflege von Pestkranken hinterließen tiefen Eindruck. 1671 wurde Cajetan von Thiene heiliggesprochen und in den verheerenden Seuchenzügen des 17. Jahrhunderts weit über Italien hinaus als Schutzpatron gegen die Pest verehrt. 

 

… und ein Hardliner 

Die zweite prägende Gründergestalt der Theatiner war der asketische Gian Pietro Carafa (1476–1559), Bischof von Chieti in den Abruzzen. Von seinem Bischofssitz Chieti – lateinisch Theate – leitet sich der Ordensname Theatiner ab. Carafa machte eine steile Karriere im Dienst der Kirche: 1536 wurde er Kardinal, bald darauf Mitglied der Kommission für eine allgemeine Kirchenreform, 1542 Leiter der Römischen Inquisition und 1553 Dekan des Kardinalskollegiums. In seinen Ämtern ging er unnachgiebig gegen die Reformation vor und bekämpfte echte oder vermeintliche lutherische Sympathien im Kardinalskollegium. Schon hochbetagt, wurde Carafa 1555 zum Papst gewählt und bestieg als Paul IV. den Stuhl Petri. Die innere Erneuerung der katholischen Kirche verstand Paul IV. als ein Auskehren mit dem eisernen Besen. Zur Abwehr des Protestantismus – mittlerweile galt es nicht mehr allein Lutheraner, sondern auch die Reformierten zu bekämpfen – setzte er als Papst auf zwei Instrumente: Er erweiterte die Befugnisse der Inquisition, und er setzte eine Buchzensur in Kraft. Missliebige Schriften, meist Werke protestantischer Autoren, wurden seit 1559 im Index librorum prohibitorum (Verzeichnis der verbotenen Bücher) aufgelistet. Ihr Besitz und ihre Lektüre waren damit verboten. Die Führungsrolle im Kampf gegen die Häresie sah Paul IV. beim Papsttum, weshalb er auch das Konzil von Trient nicht wieder einberief, das mit Unterbrechungen seit 1545 zur Kirchenreform und zur Auseinandersetzung mit dem Protestantismus tagte. 

 

Von Rom in die Welt

Die Theatiner gewannen rasch an Popularität und verbreiteten sich in Italien, nicht zuletzt weil sie von ihrem Ordensgründer Gian Pietro Carafa (Paul IV.) und späteren Päpsten gefördert wurden. Im 17. Jahrhundert gründete der Orden Niederlassungen in Spanien, Portugal, Frankreich sowie Deutschland und war im päpstlichen Auftrag auch in der Mission tätig. Später verloren die Theatiner an Geltung, andere Orden liefen ihnen den Rang ab, doch existieren sie als kleine Gemeinschaft bis heute. An ihre einstige Bedeutung erinnern vereinzelt Straßennamen und Kirchen, u. a. ihre prachtvolle Mutterkirche Sant’Andrea della Valle in Rom und die nach diesem Vorbild erbaute Theatinerkirche St. Kajetan in München, die Hofkirche und Grablege der Wittelsbacher.